Nach Hanau Sportschützen müssen endlich entwaffnet werden

Ein Sportschütze trainiert mit einem Revolver Kaliber 357 von Smith&Wesson
© DPA
Nach Hanau denkt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über Psychotests für Sportschützen nach. Das ist reine Symbolpolitik. Er muss den Sportschützen endlich ihre tödlichen Waffen abnehmen. 

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will Sportschützen zum Psychotest schicken. Irgendwas muss er ja sagen, der Herr Bundesinnenminister. So tun, als würde er was tun. Dabei ist es eine Binse, dass man Menschen nicht in den Kopf gucken kann. Psychotest für Sportschützen würden viel Geld kosten und mehr Bürokratie bedeuten. Und zwar nur, damit eine kleine Minderheit in diesem Land weiter scharfe Waffen besitzen darf. Der Schützenbund, der etwa 1,4 Millionen Mitglieder vertritt, hat sich schon zu Wort gemeldet. Viel zu aufwendig. Und bislang sind Politiker in diesem Land noch jedes Mal vor den Sportschützen und ihrer Lobby eingeknickt. Selbst nach Amokläufen mit vielen toten Kindern.

Es ist der verdammte Job des Bundesinnenministers für Sicherheit in diesem Land zu sorgen. Das schafft er aber nur, wenn er die Sportschützen endlich entwaffnet. Warum müssen Schützenbrüder mit tödlichen Waffen auf Papierscheiben schießen? Warum dürfen sie ihre Waffen nach dem Training im Schießstand mit nach Hause nehmen? Es gibt dafür keine vernünftigen Gründe.

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Vater Staat als Komplize 

Niemand geringeres als Vater Staat hat dem Attentäter von Hanau seine tödliche Waffe in die Hand gedrückt. Tobias R. war Sportschütze. Auch die Beretta, mit der Tim K.  2009 in Winnenden 16 Menschen erschoss, war legal. Sein Vater, ein Sportschütze, besaß 15 Waffen. Legal. Amokläufer Robert Steinhäuser war ebenfalls Schützenbruder. Und der Reichsbürger, der 2016 einen Polizisten erschoss, hatte 31 Pistolen und Gewehre. Legal.

Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Denn in Deutschland zählt die Polizei nämlich nicht, wie viele Menschen durch legale Waffen getötet werden. Das Bundeskriminalamt weiß nur, dass 2019 in Deutschland 109 Menschen erschossen wurden. Die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" recherchiert schon seit Jahren sehr gründlich, wie viele Menschen in diesem Land durch legale Waffen sterben. Es sind über 270 seit 1990. Das sind mehr Menschen als durch den Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) getötet wurden, dem laut Bundeszentrale für politische Bildung 34 Menschen zum Opfer gefallen sind.

"Getötet mit Schusswaffen von Sportschützen" – Opfer-Landkarte der Sportmordwaffen-Initiative (1990 bis 2020, ohne Suizide)

Im Nationalen Waffenregister stehen die Namen einer Million Menschen, auf die fünf Millionen Waffen zugelassen sind. Das heißt: Die privaten Waffenbesitzer in diesem Land, das mehr als 82 Millionen Einwohner hat, sind eine kleine Minderheit. Warum ist die Freiheit dieser Waffennarren mehr wert als die Sicherheit der Menschen?

Waffenbehörden fehlt das Personal

Und schon jetzt können Sportschützen nicht richtig kontrolliert werden. Den 550 Waffenbehörden in Deutschland fehlt das Personal. Und wenn die Kontrolleure doch mal ausrücken, stehen sie meistens vor verschlossenen Türen. In Erfurt, wo der 19-jährige Sportschütze Robert Steinhäuser 2002 an einem Gymnasium elf Lehrer, eine Referendarin, die Schulsekretärin, zwei Schüler und einen Polizeibeamten erschoss, suchten die Kontrolleure von 2015 bis 2017 nach eigenen Angaben 358 Waffenbesitzer auf. Sie trafen gerade mal 115, also knapp ein Drittel, zu Hause an. In anderen Städten ist es ähnlich. Die niedrige Erfolgsquote kommt nicht von ungefähr: Die Kontrolleure dürfen nicht zur "Unzeit", also spätabends, nachts oder an Sonn- und Feiertagen klingeln. Sie kommen also in der Regel während ihrer Bürozeit - wenn viele Leute arbeiten.

In Bayern, wo es die meisten legalen Schusswaffen gibt, forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Waffenbehörden sogar auf, ihre Kontrollbesuche vorher anzukündigen, wie der Journalist Roman Grafe für den Nachrichtensender n-tv enthüllt hat. Herrmann ist übrigens Sportschütze. Als die elfjährige Janina in der Silvesternacht 2016 von einem Sportschützen erschossen wurde, sagte er: "Es gibt in der Tat nicht den geringsten Grund, den Schießsport in unserem Land in irgendeiner Weise infrage zu stellen". Und ob man den Schießsport in diesem Lande in Frage stellen muss. Generell. Und zwar endlich. Warum gesteht Vater Staat Ottonormalverbrauchern überhaupt ein "waffenrechlichtes Bedürfnis" zu?  In Großbritannien sind halbautomatische Faustfeuerwaffen und Gewehre für Privatleute tabu.  Nachdem 1996 in Dunblane ein Sportschütze 16 Erstklässler und ihre Lehrerin erschossen hatte, entwaffnete die konservative Regierung ihre Bürger. Machen wir es wie die Briten. Sonst ist nach Hanau vor Hanau. Und Vater Staat macht sich zum Komplizen von Mördern. Wieder mal. 

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