Donald Trump will den "Kampf für die gute Sache" weiterkämpfen.
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In den ersten Stunden nach Donald Trumps Entscheidung, seine Niederlage bei der US-Präsidentenwahl vom 3. November de facto doch zu akzeptieren, konnte über die wahren Gründe zu diesem Schritt bloß spekuliert worden – und vielleicht wird man nie wirklich Klarheit darüber bekommen, wie es dazu kam.

Tatsache ist, dass Emily Murphy, Trumps Beauftragte an der Spitze der General Services Administration, die formell für den Übergang zur Biden-Administration zuständig ist, diesen Prozess nun tatsächlich einleitet. Sie hat jetzt den Zugang Joe Bidens zu sicherheitsrelevanten Regierungsinformationen und auch Gelder freizugeben, damit der Wahlsieger ab 20. Jänner 2021 – dem Tag der Angelobung – möglichst nahtlos die Geschäfte übernehmen kann. Und das ist wichtig und richtig so: Biden kann sich nicht den Luxus einer 100-Tage-Frist gönnen. Es sind in Wahrheit schon die verbleibenden 57 Tage zu wenig, um ab jenem Tag etwa effektiv gegen die Corona-Pandemie loslegen zu können.

Wendepunkt Michigan?

Es ist anzunehmen, dass der präsidiale Beraterstab schon längst wusste, dass Trump es nicht mehr schaffen würde, seine Niederlage in einen Sieg umzumünzen. Nur Trump selbst wollte es wohl nicht wahrhaben. Mit der offiziellen Zertifizierung von Bidens Wahlsieg im Bundesstaat Michigan – er gewann dort mit rund 150.000 Stimmen Vorsprung, das Vierfache von Trumps Sieg 2016 gegen Hillary Clinton – und nach gut 30 gescheiterten Klagen hat nun auch der scheidende Präsident offenbar die Tatsachen akzeptiert. Auf Twitter veröffentlichte er in der Nacht zum Dienstag zwei Meldungen, die so ungewohnt sachlich und kohärent formuliert waren, dass man sich unwillkürlich fragt, ob er er diese tatsächlich selbst verfasst haben könne.

Bemerkenswert an diesen beiden Tweets ist – neben der Anerkennung der Realität – die Ankündigung Trumps, den "Kampf für die gute Sache" weiterführen zu wollen. Denn er sei sich sicher, dass er damit schlussendlich Erfolg haben werde.

Nun, dies wird letztlich eine Angelegenheit sein, die schon bald diverse Gerichte regeln werden (auf Trump wartet eine Prozesslawine) – und vielleicht in vier Jahren neuerlich die Wählerinnen und Wähler in den USA. Denn dies lässt sich aus diesen Sätzen schon herauslesen: Trump gibt nicht auf.

Sieg der Demokratie

Für die USA – und im Übrigen für die Weltgemeinschaft – ist diese jüngste Entwicklung jedenfalls eine gute Nachricht. Denn sie ist die Bestätigung dafür, dass die Demokratie in diesem Land auch nach vier Jahren oft erratischen, oft disruptiven Regierens immer noch funktioniert und stabil ist. Die Szenarien von massiven Unruhen, einem Einsatz der Nationalgarde, von bürgerkriegsähnlichen Zuständen haben sich nicht bewahrheitet. Die Entwicklung kam auch niemals nur in die Nähe solcher Zustände.

Der Sieg Joe Bidens wurde durch eine oft altmodisch wirkende, aber gerade deshalb erprobte, durchdachte und effiziente Justiz abgesichert. Dutzende Klagen scheiterten – und zwar nicht wegen Korruption, sondern ganz einfach wegen des selbstverständlichen und unbedingten Willens zahlreicher Richter in verschiedenen Bundesstaaten, sich an die Verfassung und die Gesetze zu halten. So einfach kann's gehen. Der zweite Wahlsieger neben Biden ist daher auch der US-amerikanische Rechtsstaat.

Joe Biden, der designierte Präsident, dessen Weg ins Weiße Haus nun hoffentlich wirklich offen ist (Gewissheit werden wir erst haben, wenn das Electoral College am 14. Dezember sein Votum abgegeben haben wird), weiß sehr genau, dass er diesen Erfolg der Demokratie über Lüge und Willkür nicht für den eigenen Vorteil ausschlachten darf. Er machte schon unmittelbar nach der Wahl deutlich, dass er ein Präsident aller Amerikanerinnen und Amerikaner sein wolle und werde – auch jener 71 Millionen, die am 3. November für Trump gestimmt hatten.

Klugerweise hielt sich Biden in diesen vergangenen drei Wochen des juristischen Tauziehens mit Kommentaren zurück und bereitete sich lieber bestmöglich auf seine Amtszeit vor. Diese Vorbereitungen sollten nun – da sie anerkannt und offiziell getroffen werden können – rascher und effizienter vorankommen können. (Gianluca Wallisch, 24.11.2020)