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Intensivstationen durch Corona kurz vor dem Kollaps

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Fachärztinnen und -ärzte warnen in der zweiten Corona-Welle vor einem Anstieg der Zahl von Corona-Kranken auf Intensivstationen.

Frankfurt – Mitte Oktober warnte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, „dass wir schon im November die Zahl von rund 2000 Intensivpatienten mit Coronainfektion erreichen werden“. Damit wäre man dann nicht mehr weit von der Höchstzahl von 2900 Corona-Patienten aus dem Frühjahr entfernt. Genauso ist es gekommen: Zwei Wochen nach diesen mahnenden Worten liegen mehr als 2200 Covid-19-Kranke auf den Intensivstationen deutscher Klinken.

Intensivstationen wegen Corona-Pandemie vor Engpässen

Für die kommenden Wochen prognostiziert Gaß einen weiteren starken Anstieg, da die Corona-Neuinfektionen erst mit einem Zeitversatz von etwa zwei Wochen „in den Krankenhäusern ankommen“. Auch Intensivmediziner warnen seit Tagen vor Engpässen auf den Intensivstationen. So sagt Uwe Jansens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) in einem Youtube-Video: „Wir Intensivmediziner befürchten, bei weiter steigenden Infektionszahlen die intensivmedizinische Versorgung in Deutschland bald nicht mehr gewährleisten zu können.“

Die Sorge betrifft dabei weniger die Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten auf den Intensivstationen, die seit dem Frühjahr auf 10 000 aufgestockt wurde. Auch an Schutzkleidung und Beatmungsgeräten fehlt es nicht mehr wie noch zu Beginn der Pandemie. Wohl aber an Personal. Auf etlichen Intensivstationen ist es durch die Corona-Pandemie bereits eng geworden. „Es zieht in den letzten Tagen extrem an“, sagt Uta Merle, kommissarische ärztliche Direktorin der Klinik für Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen am Universitätsklinikum Heidelberg.

Vor allem Risikogruppen in der Corona-Pandemie auf Intensivstationen

Vor allem die Zahl der über 60-jährigen Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen steige. „Jeden Tag müssen wir neues Personal rekrutieren und umschichten.“ Auch werde die Klinik „zunehmend in eine Situation gezwungen, andere wichtige Eingriffe hintanstellen zu müssen“ – obwohl das alle eigentlich in der zweiten Corona-Welle vermeiden wollten. Verschärfend wirke sich zudem die Tatsache aus, dass im Winter die Intensivstationen ohnehin meist stärker ausgelastet seien. Auf der Haben-Seite stehe jedoch: „Wir sind erfahrener geworden.“

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Corona-Patientinnen und -Patienten benötigen oft eine Eins-zu-eins-Betreuung – mindestens (Archivbild). © Fabian Strauch/dpa

Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivstation am Universitätsklinikum Köln, sagt aber auch: „Das Personal ist ausgelaugt.“ Selbst wenn „Corona-Patienten noch nicht einmal beatmet werden müssen“, benötigten sie „fast eine Eins-zu-eins-Betreuung“ – anders als etwa bei Herzinfarkten, da könne man „zwei, drei Patienten relativ gut von einer Pflegekraft versorgt bekommen“.

Zusätzlicher Aufwand auf Intensivstationen durch Corona-Patienten

Zudem sei die Behandlung von Corona-Kranken sehr aufwendig, schon alleine wegen der Schutzmaßnahmen auf den Intensivstationen. Bereits das An- und Ablegen der Bekleidung erfordere „zwei bis eher fünf Minuten“: „Das heißt: Das, was wir sonst kennen, einfach mal ganz kurz rausgehen, einen Verband holen, ist hier nicht möglich.“ Etwas Entlastung, so Kochanek, könne es bringen, ehemalige Mediziner:innen oder Pflegekräfte zu „rekrutieren“, um „einfachere Fälle“ zu versorgen. Gleichwohl werde die Zahl der Schwerstkranken, die eine hochspezialisierte Betreuung benötigten, durch die Corona-Pandemie hoch bleiben.

NameSars-CoV-2
Deutsche medizinische Bezeichnungschweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus-2
TypCoronavirus
KrankheitCovid-19 (Corona virus disease-19)
Erstes AuftretenDezember 2019
HerkunftStadt Wuhan, Provinz Hubei, China

Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionskrankheiten in Braunschweig, hat noch einen anderen Ansatz: In so vielen Fällen wie möglich sollte man versuchen, „die Zahl der Patienten, die intensiv- und beatmungspflichtig werden“ zu verringern. Das könnte vor allem dann gelingen, wenn man Infizierte aus den Corona-Risikogruppen frühzeitig ambulant betreue – und zwar am besten bereits dann, wenn sie noch keine Beschwerden haben, spätestens aber mit dem Auftreten der ersten Symptome.

Besser Nachverfolgung von Corona-Kontakten gegen voll Intensivstationen

Dafür müsste allerdings die Strategie bei der Verfolgung von Corona-Kontakten geändert werden. Krause denkt hierbei an ein frühzeitiges, gezieltes Monitoring. So wäre es nach Ansicht des Epidemiologen sinnvoll, sich bei den Kontaktpersonen auf jene zu fokussieren, „die bekannte Risikofaktoren oder ein hohes Alter haben“. Diese Menschen solle man dann einem „sehr intensiven Überwachungs-Protokoll zuführen“. Was Krause damit meint: etwa täglich den arteriellen Sauerstoffgehalt zu ermitteln. Das sei ein nicht-invasives Verfahren, das Pflegekräfte und auch geschultes Hilfspersonal übernehmen könnten. (Pamela Dörhöfer)

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