„Die Schwester der Königin“: Duell Blond gegen Brünett

Seine Majestät Henry VIII. ist außer sich. Wütend und rasend vor Zorn schreit er seiner Frau Anne Boleyn ins Gesicht „Du böse verfluchte Hexe!“ Der englische Vielweiber-König als cholerischer Tyrann – das ist das sattsam bekannte Bild des Herrschers, der sechs Frauen ehelichte und zwei davon aufs Schafott brachte. Eben auch Anne Boleyn.

Im Gegensatz zu den zahlreichen bisherigen Verfilmungen, in denen Henry VIII. als verfressener und tobsüchtiger Choleriker dargestellt wurde, ist der berühmt-berüchtigte englische Herrscher in Justin Chadwicks Film ein sportiver und durchaus attraktiver Mann. „Viele Überlieferungen zeigen Henry VIII. nur in seinen letzten Lebensjahren, dabei war er lange ein sehr sportlicher und geistig reger Mensch“, verteidigt Regisseur Justin Chadwick die ungewöhnliche Gestaltung seiner Hauptfigur. „Er war musisch begabt, sehr an Literatur und Philosophie interessiert und keineswegs immer das Monster, als das er so oft dargestellt wurde.“

Verkauft ins Bett des Königs

Der Australier Eric Bana („München“, „Troja“) verleiht Henry VIII. eine gewisse Ambivalenz zwischen dem romantischen und sehnsüchtigen Liebhaber und dem nur Testosteron getriebenen Wüstling, der sich nimmt, was er braucht. Allerdings bleibt Bana insgesamt etwas blass, denn sein Henry VIII. ist in Chadwicks Melodrama nur eine Nebenrolle, wie übrigens alle Nebenparts eher eindimensional bleiben.

Im Mittelpunkt stehen ganz klar die beiden Hauptakteure – und das sind die Hollywood-Blondine Scarlet Johansson und ihr Widerpart, die Hollywood-Brünette Natalie Portman. Das Mit- und Gegeneinander der beiden ungleichen Schwestern Mary und Anne Boleyn, die von ihren machtbesessenen Eltern ins Bett des Königs verschachert werden, ist der eigentliche Handlungsfaden des Films, wobei es Justin Chadwick mit der historischen Genauigkeit nicht so genau nimmt. So macht er z.B. aus der älteren Schwester, Mary, die Jüngere. Aber das nur am Rande.

Brave Mary kontra facettenreiche Anne

Letztlich ist der historische Überbau des Films nur das Vehikel, um den beiden Hauptfiguren reichlich Möglichkeiten zur Entfaltung zu geben, wobei es auch in dieser Hinsicht etwas „ungerecht“ zugeht, denn Scarlett Johanssons Mary muss letztlich immer das sanfte, zurückhaltende und irgendwie reinlich-naive Mädel bleiben, während Natalie Portman die gesamte Klaviatur menschlicher Regungen abarbeiten darf, was ihr auch grandios gelingt. Wenn sie ihren Schmollmund als „Waffe der Frau“ einsetzt, bedarf es keiner Worte. Wenn sie die Wut darüber, dass ihre Schwester vom König zunächst bevorzugt wird, nur mühsam zurückhalten kann oder wenn sie am Ende begreift, dass ihr Schicksal auf dem Schafott besiegelt ist und die pure Verzweiflung von ihr Besitz ergreift, dann zeigt Natalie Portman ihr enormes Talent.

Das fein abgestimmte Spiel der beiden Aktricen ist letztlich auch der Grund, der den Film „Die Schwester der Königin“ aus dem Einerlei schwülstiger Kostümfilme heraushebt und sehenswert macht, denn wie sagt Natalie Portman: „Liebe, Rivalität, Verrat, Freundschaft, Skandale, Klatsch und Tratsch – all das hat es in jeder Gesellschaft gegeben und wird es wohl auch immer geben.“