Herrnbaumgarten: Ein Ort ist Satire

Um touristisch aufzufallen, verpassen sich Gemeinden oder Regionen oft ein bestimmtes Image. Herrnbaumgarten (Bezirk Mistelbach) wählte jenes des „verruckten Dorfes“ und machte aus einem Kunstprojekt eine ungewöhnliche Marke.

Erfindungen, die keiner braucht, Nonsens und schräger Humor, dem man im ganzen Ort begegnet - das ist das Rezept, mit dem sich Herrnbaumgarten im nördlichen Weinviertel, unweit der tschechischen Grenze, überregionale Bekanntheit sicherte. Eigentlich kennt man Herrnbaumgarten als Weinbauort mit weniger als 1.000 Einwohnern.

Nonseum Herrnbaumgarten Socken

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Zwischen den Weinbergen hängen in Herrnbaumgarten Einzelsocken

Doch vielleicht kennt man den Ort auch wegen der Einzelsocken, deren Pendants von der Waschmaschine gefressen wurden. Sie hängen zwischen den Weinbergen, ihnen ist sogar ein Wanderweg gewidmet. Der Ortstafelstreit in Kärnten findet sich in sechssprachigen Ortstafeln wieder, und vor dem Gemeindeamt darf man das Handy in einer eigenen Handy-Telefonzelle benützen.

Nonseum Hernnbaumgarten

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Der Kärntner Ortstafelstreit wird im Weinviertel aufgegriffen

Immer neue Skurrilitäten

Der ganze Ort ist Satire. Diese wird munter weiterbetrieben, durch den Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen, der sich immer wieder neue Skurrilitäten einfallen lässt. So kann man etwa ein Denkmal für Lebende - ein Stufenportal - erklimmen und sich damit selbst ein Denkmal setzen. Auf das Denkmal der Lebenden darf sich jeder stellen, auch der Bürgermeister Christian Frank (ÖVP), der bei dem Spaß gern dabei ist.

Bürgermeister Frank ist überzeugt von dem Konzept: „Herrnbaumgarten lag lange Zeit am ‚Eisernen Vorhang‘. Noch in dieser Zeit hat sich dieses Kunstprojekt gebildet, das heute unsere Identität ausmacht. Jetzt, wo es den ‚Eisernen Vorhang‘ nicht mehr gibt, profitieren wir davon. Die Besucher kommen in Bussen, um einen Tag in unserem ‚verruckten Dorf‘ zu verbringen. Die Eintrittszahlen im Nonseum steigen ständig, zuletzt auf 12.000 pro Jahr.“

Künstlergruppe startete mit Nonsens-Erfindermesse

Alles ging von einer Gruppe rund um den Künstler Fritz Gall aus. Sie begann vor Jahrzehnten, völlig unsinnige Dinge zu erfinden, wie das Telefon für Selbstgespräche. Der Auslöser war eine Kellnerin, erzählt Gall, die dabei beobachtet wurde, wie sie ein Tischtuch umdrehte, um es ein zweites Mal zu verwenden: "Wir haben in diesem Augenblick das würfelförmige Tischtuch erfunden, das sechsmal verwendbar wäre.“

1984 ging die erste österreichische Nonsens-Erfindermesse in Herrnbaumgarten über die Bühne. „Wir haben mit 37 Besuchern gerechnet, gekommen sind 5.000. Wir waren völlig überfordert, haben aber weitergemacht. Jedes Jahr haben wir eine Aktion abgeliefert, die unseren Bekanntheitsgrad gesteigert hat“, so Gall.

Musum für Nonsens

1994 entstand daraus das Nonseum, das im Jahr 2013 sogar erweitert wurde. Es ist ein Museum für Nonsens mit hunderten Erfindungen, die der Mensch nicht braucht - oder vielleicht doch brauchen könnte? Fritz Gall will mit seinen Nonsens-Erfindungen der Konsumwelt einen Spiegel vorhalten. Nicht nur beim Einspänner-Würstel, das via Spiegel wie ein Paar aussieht und daher als „Diät-Würstel“ deklariert ist.

Nonseum Hernnbaumgarten

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Das Nonseum bietet zahlreiche überraschende Stücke

Derzeit herrscht Winterschlaf im Nonseum, aber ab Palmsonntag wird wieder daran gearbeitet, die Besucherzahlen weiter zu steigern. Wer selbst eine völlig unsinnige, aber witzige Erfindung beisteuern will - das Nonseum stehe für alle offen, sagt Fritz Gall. Es gebe nur eine Hürde: Die Jury, die aus ihm selbst besteht.

Dass der Ort im Jahr 2002 die "verruckten“ Ideen der Künstler rund um Fritz Gall über eine Dorferneuerungsaktion ins Ortskonzept übernahm und sich seitdem als „verrucktes Dorf“ präsentiert, freut Fritz Gall und seine Frau Bettina: „Es gibt kein Konzept im Land, das international eine solche Beachtung gefunden hat. Es entsteht eine Umwegrentabilität, die das Leben im Ort beeinflusst: Man kann Radfahren, gute Weine verkosten und bei uns kann man ganz einfach lachen. Das gibt es nur bei uns.“

Ein Ort, der davon profitiert, sich selbst nicht ganz ernst zu nehmen.

Robert Salzer, noe.ORF.at

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