Amberg
13.08.2023 - 14:26 Uhr
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Amberg feiert das "Anderssein" beim Christopher Street Day

Über 250 Menschen versammelten sich am Samstag in Amberg, um für ein gesellschaftliches Bewusstsein zu werben. So divers wie das Auftreten sind auch die Beweggründe für die Teilnahme am Christopher Street Day.

Der Queer-Verein Kunterbunt Amberg organisierte den Christopher Street Day mit Umzug durch die Amberger Altstadt, über den Kaiser-Wilhelm-Ring, vorbei an der Ostbayerischen technischen Hochschule, durch die Mühlgasse zum Marktplatz. Der einstimmige Tenor: Leben und leben lassen. Weniger als Demonstration gedacht, dafür mehr zur Aufklärung durch Gespräche sollten auch Informationsstände Stadtbesucher dazu motivieren, sich mit dem "Anderssein" auseinanderzusetzen. Der Christopher Street Day (CSD) ist ein weltweit begangener Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen.

Der Psychologe Georg Sammüller übernahm am BRK-Stand "Pride Summer Testing" die Aufklärung über medizinische Therapien in Sachen Geschlechtskrankheiten. Während der CSD-Monate, Juni bis August, ermöglicht die Aids-Beratung Oberpfalz mit Sitz in Regensburg allen Menschen die kostenlose Testung auf HIV und andere Geschlechtskrankheiten. Diese Tests sind keine Kassenleistung: Oft schämten sich Menschen, beim Hausarzt anzufragen, weiß Sammüller. Der Psychologe empfiehlt, sich jährlich einmal testen zu lassen. "Der medizinische Fortschritt ermöglicht mittlerweile Therapien, die das Übertragen der Krankheiten verhindern", erklärte der Regensburger.

Bürgermeisterin geht auch mit

Fast unscheinbar und völlig unspektakulär in der Menge ging Gabriele Bayer aus Postbauer-Heng mit. Für die gelernte Krankenschwester sind Themen rund um Freiheit und soziales Engagement unumgänglich. Als Bezirksrätin und Dritte Bürgermeisterin der Marktgemeinde setzt sie sich für das gesellschaftliche Zusammenleben ein. So informiert sie regelmäßig an ihrem Wohnort über Diversität anhand von Plakaten mit den "Vielfaltsdimensionen": "Um Inklusion und Akzeptanz zu erreichen, muss gesellschaftliche Aufklärung stattfinden – diese Diversität und Vielfalt umfasst Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Weltanschauung, Religion, körperliche und geistige Fähigkeiten und eben auch sexuelle Orientierung."

Letzteres sollte in einer perfekten Welt kaum Einfluss auf das Umfeld nehmen. Dennoch erzählte ein 22-jähriger Amberger, dass er erst vor kurzem bei einem Spaziergang mit seinem Freund von einer Gruppe verbal angegriffen worden sei. Seine Begleitung habe einen Sticker auf der Tasche getragen, der auf die sexuelle Orientierung der beiden hinwies – allein durch das äußere Erscheinungsbild wären sie nicht aufgefallen. Der Schrecken sitze tief und seit diesem Vorfall herrsche Unbehagen, sich frei in der Öffentlichkeit zu bewegen. Ähnliches bestätigte Joel Eisenreich aus Straubing. Mit seiner Teilnahme an der Kundgebung forderte der 18-Jährige einen "queeren Aktionsplan" für Bayern: "Bayern ist das einzige Bundesland ohne einen Aktionsplan zu Förderung queerer Personen und zur Verhinderung von Homo- und Transfeindlichkeit."

Aufklärung und Gespräche

Kunterbunt-Mitglied Elli Wolf, die Bezirks-Spitzenkandidatin der Grünen, muss nach eigener Aussage fast täglich über das Unwissen anderer ärgern. Falsche Pronomen stünden hier im Vordergrund. Mit der Verabschiedung des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes könne sie zwar gegen das bewusste Nutzen falscher Pronomen Anzeige erstatten, würde es persönlich aber nicht machen. Wolf nutzt ihre Zeit lieber für Aufklärung und Gespräche. An ihrer Seite stand Grünen-Bundestagsabgeordnete Tina Winkelmann, die sich energisch für die schnelle Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes einsetzt. Auch eingereichte Petitionen unterschiedlicher Gruppierungen könnten die Verabschiedung nicht aufhalten. Dennoch betonte sie, dass es in einer Demokratie wichtig und richtig sei, die Meinung anderer zu hören. Nur so könne ein gesunder Diskurs stattfinden.

Dankbar für die öffentliche Information zeigte sich ein Ehepaar aus Kümmersbruck, das zufällig in der Stadt flanierte. Reinhold Kummer weiß um Konflikte aus seinem Familien- und Bekanntenkreis. Ungelöste Probleme hätten gravierende Folgen für das gesamte Umfeld. Deswegen plädieren er und seine Ehefrau für mehr Akzeptanz. Im Namen des Stadtrates erinnerte Zweiter Bürgermeister Martin Preuß an die einst abgegebene Amberger Erklärung aus dem Jahr 2018. Er zitierte: "Anlässlich der angekündigten Veranstaltung der AfD in unserer Stadt ist es uns als Amberger Stadträten wichtig festzuhalten, dass wir gemeinsam für eine weltoffene, soziale, freundliche und solidarische Stadt stehen, in der Ausgrenzung und Hass keinen Platz finden."

Wie in den vergangenen Jahren, leistete Kunterbunt-Gründungsmitglied Phillip Pietsch hervorragende organisatorische Arbeit in Zusammenarbeit mit Ordnungsamt und Polizei. Mit ausreichenden Einsatzkräften behielten Polizeirat Günter Grießhammer und seine Truppe das Geschehen im Auge – nicht nur verkehrstechnisch.

 
 

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