Der Schokoriegel schmeckt nicht nach Kinderhänden. Dok-Filmer Miki Mistrati kämpft dafür, dass wir trotzdem ab und zu mit Kinderarbeit konfrontiert werden. Zurzeit dreht er seinen dritten Film zur Kinderarbeit. Er erzählt, was er auf Plantagen erlebt.
Miki Mistrati: Im vergangenen September. Ich habe also aktuelle Informationen.
Oh ja, jede Menge. Meine Quellen vor Ort sagen, es hat sich nichts geändert. Wir besuchten eine zufällig ausgewählte Plantage. Sie war voller Kinder aus Burkina Faso. Es war 40 Grad heiss und sie ernteten Kakao.
Drei. Wir reisten in den Norden des Landes. Überall sahen wir Kinder. Sie waren aus Burkina Faso. Ich nehme an, sie wurden verschleppt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie aus eigenem Antrieb in die Elfenbeinküste kamen. Es waren auch keine Geschwister. Es war herzzerreissend.
Zwischen 10 und 15 Jahren. Ein Kind kam verängstigt zu uns. Es hielt sich die Finger in den Mund, gab uns zu verstehen, dass es Hunger hat. Ich konnte nichts tun.
Der grösste Wandel hat auf dem Niveau der Information stattgefunden. Heute wissen viele Leute über das Problem Bescheid. Das war vor meinem ersten Film noch anders. In Bezug auf Kinderarbeit und die Industrie ist es aber noch genau gleich schlimm wie damals.
Miki Mistrati wurde 2010 mit seinem Dok-Film "Schmutzige Schokolade" berühmt. Der Däne dokumentierte in Mali eindrücklich, wie Kinder in die Elfenbeinküste verschleppt wurden. Auf mehreren Kakaoplantagen traf er arbeitende Kinder an. Diverse Unternehmen weigerten sich, den Film anzuschauen und Fragen zu beantworten, darunter Nestlé. Mistrati reiste zum Hauptsitz nach Vevey und liess den Film dort auf Grossleinwand laufen – bis die Polizei die Aktion abwürgte.
Nach "Schmutzige Schokolade 2" (2012) arbeitet Mistrati erneut an einem Dok-Film zu Kinderarbeit. Er sammelt mit dem Menschenrechtsanwalt Terry Collingsworth neue Beweise für dessen Klage, mit der er seit 2006 gegen Nestlé und Cargill in den USA vorgeht. Mistrati sagt, der Film werde als Beweismittel vor Gericht dienen. Danach erscheint er im Fernsehen, frühestens 2019.
Der Preis, den die Bauern für Kakao erhalten, sank und sank. Kürzlich erreichte er einen Tiefpunkt. Das sind sehr schlechte Nachrichten, denn so werden die Bauern gezwungen, billige Arbeitskräfte zu rekrutieren. Kinder sind der günstigste Weg.
Ein ortsansässiger Journalist sagte mir, diesen Preis habe man mir genannt, weil ich weiss bin. Wahrscheinlich bezahlt man weniger als 100 Euro für ein Kind.
Sie denken darüber nach, stattdessen zum Beispiel Kautschukbäume zu pflanzen. Das ist ein Problem, denn die Nachfrage nach Kakao wird grösser.
Es sind viele, etwa Barry Callebaut. Das Unternehmen kauft 30 Prozent des gesamten Kakaos in der Elfenbeinküste auf.
Christiaan Prins, Sprecher von Barry Callebaut, bestreitet Kinderarbeit auf Plantagen, von denen Barry Callebaut Kakao bezieht, nicht. Für die Bauern sei es zum Teil normal, die Kinder auf dem Hof einzusetzen. Die Situation habe sich aber verbessert. Er verweist auf einen Bericht der Tulane-Universität (USA): In der Elfenbeinküste und Ghana gingen 2014 mehr Kinder, die Kakao pflücken, zur Schule als 2009: 71 respektive 96 Prozent. Im Bericht heisst es aber auch, dass in der selben Zeitspanne die Zahl arbeitender Kinder um 300'000 gestiegen ist.
Peggy Diby von Nestlé schreibt, man sei gegen jegliche Form von Kinderausbeutung. Sie weist auf die Bestrebungen hin, die Nestlé unternimmt, um Kinderarbeit zu eliminieren. Durch ein Überwachungssystem sei es gelungen, 11'000 Kinder zu finden, die von Kinderarbeit betroffen seien. 6346 von ihnen habe man geholfen, den anderen stehe man bei.
Beide Unternehmen haben Nachhaltigkeitsinitiativen gegründet: Forever Chocolate (Callebaut) und Cocoa Plan (Nestlé).
Ich weiss es nicht. Wenn er ihn gewinnt, schreibt er Geschichte. Dann müssen die Firmen ein System aufbauen, das die Rückverfolgbarkeit des Kakaos gewährleistet. Damit könnte man 90 Prozent der Kinderarbeit auslöschen.
Dann kann man sagen: "Das Geld hat gesprochen". Seine Gegner haben enorme Ressourcen und ein Heer an Anwälten. Aber die weltweite Aufmerksamkeit ist ein kleiner Gewinn.
Die grossen Kakaoverarbeiter versuchen, den Plantagenbesitzern mit Geld zu helfen. Aber die Beträge sind zu klein. Besonders wenn man schaut, wie viel sie verdienen.
Alle haben Verantwortung. Aber den ersten Schritt müssen die Grossen machen. Sie haben die Macht, das schon morgen zu tun, wenn sie wollen. Ich hätte auch kein Problem, Vertreter dieser Firmen zu treffen. Aber sie haben Angst vor mir. Wenn sie zu einer Podiumsdiskussion eingeladen sind und meinen Namen auf der Liste sehen, kommen sie nicht. Ich finde das lächerlich. Wir sollten eine offene Diskussion führen und unsere Erfahrungen austauschen.
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